Interview mit Thomas Rabe

„Bertelsmann wächst inzwischen wieder aus eigener Kraft.“

Herr Rabe, Bertelsmann verfolgt die vier strategischen Ziele, wachstumsstärker, digitaler, internationaler und diversifizierter zu werden. Wie sind Sie hier 2017 vorangekommen?

Wir haben erneut deutliche Fortschritte erzielt. Unsere Wachstumsgeschäfte – also Fremantle Media, die Digitalaktivitäten von RTL Group und G+J, BMG, Arvato SCM, Arvato Financial Solutions sowie die Bertelsmann Education Group – sind 2017 organisch in Summe um fünf Prozent gewachsen. Sie steuern inzwischen rund ein Drittel zu unserem Gesamtumsatz bei. 2011 waren es 20 Prozent; wir verbessern uns hier Jahr für Jahr also um etwa zwei Prozentpunkte. Mittelfristig soll der Anteil dieser Geschäfte am Konzernumsatz auf 40 Prozent steigen.

Den Umsatzanteil strukturell rückläufiger Geschäfte haben wir dagegen von 16 Prozent (2011) auf rund vier Prozent zurückgefahren. Insgesamt hat sich das organische Wachstum von Bertelsmann in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Bertelsmann wächst inzwischen wieder aus eigener Kraft.

Und bei den anderen Zielen?

Der Umsatzanteil unserer Digitalaktivitäten stieg 2017 auf 46 Prozent. Hier möchten wir in den nächsten Jahren auf über 50 Prozent kommen, dieses Ziel ist also bereits in Sichtweite.

Außerhalb Europas haben wir im vergangenen Jahr 27 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaftet, auch dies ist eine Verbesserung gegenüber den 20 Prozent im Jahr 2011.

Und dass wir deutlich diversifizierter geworden sind, zeigt sich an unserer Struktur mit acht Unternehmensbereichen; in den vergangenen Jahren sind neue Geschäftsfelder wie beispielsweise Bildung hinzugekommen. Seit der Anteilsaufstockung an Penguin Random House auf eine Dreiviertelmehrheit im vergangenen Oktober halten wir Mehrheiten an all unseren Unternehmensbereichen: 75 Prozent an der RTL Group und an Penguin Random House, 100 Prozent an allen anderen Divisionen.


„Kreativität ist im Zeitalter der Digitalisierung wichtiger denn je.”

Sie sprechen die Penguin-Random-House-Transaktion des vergangenen Jahres an – welche Bedeutung hat das Buchgeschäft für Bertelsmann?

Das Buchgeschäft ist seit mehr als 180 Jahren identitätsstiftend für unser Haus. Bertelsmann ist das Unternehmen mit dem vielfältigsten Kreativangebot weltweit – und das Buchgeschäft steht sinnbildlich hierfür: Penguin Random House veröffentlicht rund 15.000 neue Bücher pro Jahr, eine Vielzahl renommierter Autoren und Nobelpreisträger stehen bei uns unter Vertrag, darunter Dan Brown, Margaret Atwood, Salman Rushdie und das Ehepaar Obama.

Wie wichtig ist Kreativität im Zeitalter von Daten und Algorithmen überhaupt?

Ich bin überzeugt: Kreativität ist im Zeitalter der Digitalisierung wichtiger denn je. Bertelsmann wendet jährlich mehr als fünf Milliarden Euro für kreative Angebote aller Art auf, darunter Bewegtbilder, Bücher, Zeitschriften, Musik und Dienstleistungen. Kurz: Kreativität ist die Grundlage unserer Geschäfte.

Die Digitalisierung ermöglicht es dabei, mit unseren Angeboten ein globales Publikum zu erreichen; die Serie „American Gods“ unserer Tochter Fremantle Media wurde beispielsweise über Amazon Prime in mehr als 200 Ländern ausgestrahlt. Dabei ist es wichtig, dass wir unser digitales Know-how ausbauen, jüngst beispielsweise durch 15.000 Stipendien für Datenanalyse-Kurse der Weiterbildungsplattform Udacity.

Was macht das Kreativangebot von Bertelsmann in Ihren Augen so besonders?

Seine Vielfalt und seine Reichweite. Sie finden bei uns unter einem Dach die ganze Bandbreite an Medien, Dienstleistungen für Geschäftskunden sowie Bildungsangebote. Wir erreichen jeden Tag mehr als eine Milliarde Menschen weltweit. Das bietet kein anderes Unternehmen.

Welches sind die wichtigsten Faktoren für den Erfolg von Bertelsmann?

Es sind in erster Linie unsere Unternehmenskultur, insbesondere Unternehmertum und Kreativität, die starke lokale Führung unserer Geschäfte, unsere langfristige Ausrichtung sowie die über Jahre gewachsenen Beziehungen mit den Kreativschaffenden.